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Hamburg, im März 2000

Nachgefragt - Die Brüder Görtz im Gespräch

Ludwig und Friedrich Görtz über 125 Jahre Görtz, aktuelle Trends im deutschen Schuhmarkt und die Servicewüste Deutschland.

Im Jahre 1875 eröffnet Johann Ludwig Görtz in Hamburg-Barmbek ein Herren-Schuhfachgeschäft mit einem 14 qm kleinen Verkaufsraum. 125 Jahre später gehört die Ludwig Görtz GmbH mit über 200 Filialen in allen größeren Städten zu den umsatzstärksten Schuhhändlern Deutschlands. In diesen Tagen feiert Görtz sein 125-jähriges Firmenjubiläum. Wir sprachen mit den Brüdern Ludwig (65) und Friedrich Görtz (54).

Unter dem Motto "Wir geben alles" feiert Görtz sein 125-jähriges Firmenjubiläum. Was haben Sie im Einzelnen vor?

Ludwig Görtz:
Den Erfolg haben wir in erster Linie der Treue unserer Kunden zu verdanken. Darum haben wir eine Reihe von Aktionen geplant, von denen vor allem die Kunden profitieren werden. So wird es eigens zum Jubiläum kreierte Schuhe zum Angebotspreis von 125 Mark geben.

Friedrich Görtz:
Hinter "Wir geben alles" steckt aber noch mehr. Bei aller Freude über unseren Erfolg möchten wir jene Menschen nicht vergessen, denen es nicht so gut geht. Wesentlicher Bestandteil der Jubiläumsaktivitäten ist deshalb eine Spendenaktion zugunsten schwerkranker Kinder in Deutschland. Wir werden mit gutem Beispiel vorangehen und anlässlich des 125-jährigen Firmenjubiläums eine runde halbe Million Mark an die Hilfsorganisation "Herzenswünsche e.V." spenden. Der Erlös soll ganz gezielt individuelle Wünsche schwerkranker Kinder in Deutschland erfüllen - Herzenswünsche eben.

Das 1875 in Hamburg-Barmbek von Johann Ludwig Görtz gegründete Schuhhaus beschäftigt heute mehr als 2800 Mitarbeiter. Das 100-prozentige Familienunternehmen wird von Hans-Peter Labin und den Brüdern Friedrich und Ludwig Görtz sowie von Dr. Stephan Harmening geführt.
Welches Rezept steckt hinter dem Erfolg von Görtz?

Ludwig Görtz:
Ein wichtiger Faktor ist, dass wir über all die Jahre die Identität als Familienunternehmen bewahrt haben. Dabei sind wir heute ein nationales Unternehmen und dem Wachstum verpflichtet. Wir kaufen rund um den Globus ein, sind überall präsent, setzen neueste Technologien ein. Unser Kurs heißt Wachstum. Wer nicht wächst, kann nicht bestehen.

Wie stellt sich die aktuelle Lage auf dem Schuhmarkt dar?

Ludwig Görtz:
Seit 1994 stellen wir eine stagnierende Marktvolumenentwicklung fest. Nachhaltige Wachstumsimpulse sind derzeit nicht erkennbar, der Wettbewerbsdruck nimmt zu, da Wachstum nur noch durch Verdrängung erzielt werden kann.

Friedrich Görtz:
Drei Trends lassen sich zur Zeit beobachten. Zum einen die rapide Zunahme neuer Schuhmarken, hauptsächlich im Lizenzbereich. Zum anderen werden immer mehr Hersteller zu Händlern und konkurrieren mit dem klassischen Facheinzelhandel. Schließlich ist zu erkennen, dass immer mehr Handelsnamen zu Marken werden, bei denen der Geschäftsname auf das Produkt übertragen wird.

Wie stellt sich Görtz auf diese Situation ein?

Ludwig Görtz:
Beispielsweise durch unsere Aktivitäten im Jubiläumsjahr. Wir verdoppeln in diesem Jahr unsere Werbe- und Marketinganstrengungen. Ab dem Frühjahr läuft zum ersten Mal in der Geschichte von Görtz eine nationale Imagekampagne. Mit dieser Marktoffensive soll die Kraft der Handelsmarke Görtz national und international gestärkt werden.

Stichwort Kundenservice. Deutschland wird gern als "Servicewüste" bezeichnet. Hat sich die Situation hierzulande inzwischen gebessert?

Ludwig Görtz:
Der Begriff "Servicewüste" umschreibt die Situation etwas plakativ. Richtig ist, dass die Dienstleistungskultur in Deutschland in weiten Teilen weniger ausgeprägt ist, als dies in anderen Ländern der Fall ist. Die aktuellen Service-Offensiven der großen Warenhauskonzerne zeigen allerdings, dass hier auf breiter Ebene ein Umdenkungsprozess stattfindet. Europäisierung und E-Commerce werden diesen Prozess sogar noch beschleunigen.

Welchen besonderen Kundenservice bietet Görtz seinen Kunden?

Friedrich Görtz:
Wir halten für unsere Kunden ein ganzes Bündel an konkreten Serviceangeboten bereit. Von Schuhbestellung übers Internet (www.goertz-schuhe.de) über Schuhreparatur bis hin zu unseren Kundenkarten (VIF = very important feet, Harry's Sparkarte), mit denen unsere Stammkunden 3 Prozent Rabatt auf alle bei uns gekauften Waren erhalten. Wichtig ist für uns, dass Service kein reines Lippenbekenntnis bleibt, sondern auf allen Ebenen für den Kunden spürbar mit Leben erfüllt wird. Was immer man auch tut, entscheidend ist die freundliche und menschliche Atmosphäre, in der dies geschieht.